Mordaufrufe von Anhängern der IS-Terrormiliz gegen die in Wien lebende Jesiden-Gemeinde.
Mordaufrufe gegen die in Wien lebende Jesiden-Gemeinde rufen den Verfassungsschutz auf den Plan. Ermittelt wird gegen eine neu entstandene Szene radikaler Islamisten, deren Mitglieder den syrisch-irakischen Mordbrigaden „Islamischer Staat“ (IS) nacheifern.
Der Angriff der IS-Milizen auf die Jesiden im Kurdengebiet hat die Dimension eines Völkermordes. Aber auch die im scheinbar sicheren Wien lebende Jesiden bekommen zunehmend Angst. Etwa dann, wenn in der U-Bahn plötzlich ein junger Mann mit dem Symbol der irakischen Mordmilizen auf dem T-Shirt steht.
Parallel zum Siegeszug der IS-Milizen durch Syrien und den Irak hat sich in Wien unter jungen Migranten eine radikalisierte IS-Fangemeinde entwickelt. Es handelt sich zumeist um Halbwüchsige, viele von ihnen ohne Berufsausbildung. Die meisten leben in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt. Fast jeder von ihnen ist bei einem Boxverein oder betreibt einen anderen Kampfsport, ganz wichtig erscheint auch Bodybuilding. Die meisten sind arbeitslos und nutzen die Zeit, um sich im Internet – besonders auf Facebook – zu radikalisieren. Der Verfassungsschutz schätzt ihre Zahl auf mehrere Hundert.
Eine Drehscheibe bildet ein Islamist, der in seiner Wohnung in Wien-Floridsdorf eine sogenannte Moschee betreibt und dort auch einen Fanartikel-Shop eingerichtet hat. Neben Dschihad-Flaggen gibt es auch Camouflage-Kapperln mit dem IS-Symbol zu kaufen. Das Geschäft läuft gut. Die meisten Kunden stammen aus der Türkei, es sind aber auch auffallend viele Tschetschenen drunter.
Durch ihre Selbstdarstellungen auf Facebook entsteht der Eindruck, dass hier eine neue Generation von Staatsfeinden heranwächst. Sie geben sich Kampfnamen. Als „Soldier of Allah“ präsentiert sich ein Absolvent einer Sportschule in Favoriten. Als „Diener Allahs“ geistert ein junger Türke durchs Netz. Und sie erklären unverblümt den Krieg: „Entweder ihr tötet uns oder wir machen weiter, bis der Kopf fliegt.“
Als besonders vorbildhaft wird auch die Rolle islamistischer Söldner aus Europa empfunden, die freiwillig am Morden im Irak teilnehmen. Und wenn es schiefgeht, wird getrauert. So postet ein Extremist in schlechtem Deutsch: „Gestern erzählte mir ein bruder das usama eine kugel in den hals bekommen hat, die beim unterkiefer wieder raus kam u sein halbes unteres gesicht war weg! möge Allah ihm annehmen amin!!!!!“
Jetzt sind auch die in Wien lebenden Jesiden ins Visier der Extremisten geraten. Es ist eine kleine Gemeinde mit vielleicht 700 Mitgliedern. Sie glauben an die Seelenwanderung und werden von fundamentalistischen Muslimen als „Teufelsanbeter“ verdammt.
Sie leben völlig unauffällig und haben nicht einmal Vereinshäuser. Doch jetzt sehen sie sich plötzlich mit massiven Drohungen konfrontiert. So postete ein Floridsdorfer ein Bild mit einer Pistole im Anschlag mit dem zynischen Text „Assalamu aleikum yeziden“ („Friede den Jesiden“). Ein User spornt ihn im Kommentar an: „Drück ab akhi“.
Ein nicht mehr ganz so junger Wiener mit arabischem Decknamen will gleich alle Jesiden umbringen (siehe Faksimile).
Verfassungsschutz ermittelt gegen den Verfasser dieser Drohung – Foto: /Internet
Thomas Schmidinger, Politikwissenschaftler und Islam-Experte, beschreibt gegenüber dem KURIER die Stimmung: „Bedroht fühlen sich alle. Vor allem wegen der Untätigkeit der Behörden, wenn die Extremisten mit Dschihad-Symbolen in der Öffentlichkeit herumlaufen.“
Im Innenministerium wird bedauert, dass es die Rechtslage nicht zulässt, gegen die öffentliche Präsentation von Dschihad-Fahnen vorzugehen. Anders verhält es sich aber mit den Gewaltaufrufen. Das sei Verhetzung. Die Urheber der Drohungen müssen mit Besuch von der Polizei rechnen.
Insgesamt kann aber nach Meinung der Verfassungsschützer das Problem der Radikalisierung nicht durch die Polizei gelöst werden. Hier sei die Politik gefragt. Aus dem Büro der Wiener Integrations-Stadträtin Sandra Frauenberger heißt es dazu, dass es ab Herbst ein Netzwerk gegen Extremismus geben soll. „Alle Stellen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sollen sich vernetzen – vom Stadtschulrat, dem Kinder- und Jugendanwalt, die Jugendwohlfahrt bis zu Jugendzentren.“
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